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In den Fängen der Gestapo

Wie die Geheime Staatspolizei Pfarrer Georg Häfner immer mehr zusetzte – Ein Blick in die Akten der Gestapostelle Würzburg, die im Staatsarchiv Würzburg aufbewahrt werden – Bimbacher Ortsgruppenleiter: „Ich bitte Sie, nun hier einmal zuzupacken, ich habe nun lange genug bei diesen Burschen zugeschaut“

Würzburg (POW) Größe: 176 cm; Gestalt: schlank; Haltung: straff; Gang: lebhaft; Gesichtsform: oval, gesund; Kopfhaar: mittelbraun, dicht; Augen: dunkelbraun; Stirn: zurückweichend, hoch; Nase; wellig, groß; Ohren: oval, groß; Mund: klein, wulstige Lippen; Zähne: lückenhaft; Kleidung: einfach. Kurz und knapp beschreibt der Personalbogen der Staatspolizei Würzburg den Oberschwarzacher Pfarrer Georg Häfner. Datiert am 31. Oktober 1941, am Tag der Einlieferung Häfners ins Gefängnis. Das Fangnetz des NS-Staats hat sich für den 41-jährigen Priester zugezogen, das Räderwerk des Unrechtsregimes hat bis ins kleinste Teil funktioniert: Anzeige, Unterrichtsverbot, Auseinandersetzung um die Ehe und den Tod des Oberschwarzacher Oberforstwarts. „Staatsabträgliches Verhalten“ gibt die Geheime Staatspolizei, Außendienststelle Würzburg, schließlich als Grund für die Verhaftung an; angeordnet von oberster Stelle, vom Reichssicherheitshauptamt Berlin mit Schnellbrief vom 3. Oktober 1941: „Unter Bezugnahme auf den dortigen Tagesrapport vom 25.8.41 teile ich mit, dass der Reichsführer-SS gegen Häfner längere Zeit Schutzhaft und Überführung in ein KZ.-Lager angeordnet hat. Ich ersuche daher, Häfner sofort in Haft zu nehmen.“ Die Akten der Gestapostelle Würzburg, die im Staatsarchiv Würzburg aufbewahrt werden, geben einen detaillierten Einblick in das Vorgehen des NS-Regimes gegen Pfarrer Häfner. Kopien der Akten finden sich im Diözesanarchiv Würzburg.

Erste Beurteilungen

Bereits am 23. November 1937 wird in einem Bericht der Gendarmerie-Station Oberschwarzach an das Bezirksamt Gerolzhofen auf das „nicht angebrachte“ Verhalten von Pfarrer Häfner verwiesen. Am 14. November 1937 lässt er demnach beim Gottesdienst in Oberschwarzach die Kirchentüre bis nach der Predigt abschließen, nachdem mehrere Personen an der Türe sich unruhig verhalten und diese immer auf und zu gemacht hätten. „Er hätte die Personen zur Ruhe auffordern können, jedoch nicht gleich zu derartigen Maßnahmen greifen. Von der Bevölkerung wird auch dieser Schritt missbilligt.“ In den Akten des Landrats von Gerolzhofen zum Verhalten des Pfarrers Häfner aus Oberschwarzach ist unter dem Punkt „Verhältnisse zu Partei, Staat, Bevölkerung“ zu lesen: „Pfarrer Häfner kam, wie schon eingangs erwähnt, von Altglashütten nach Oberschwarzach. In Altglashütten soll er wegen seiner staatsfeindlichen Einstellung nach Oberschwarzach gegangen oder gekommen sein. In der ersten Zeit seines Hierseins soll er bei seinen Predigten indirekt seine Einstellung zum Ausdruck gebracht haben, dass er mit dem Regime nicht einverstanden sei, soll aber in letzter Zeit mit derartigen Äußerungen zurückgehalten haben. Den Deutschen Gruss gibt er nur dann, wenn er ihm geboten wird. Das Verhältnis zwischen ihm und der Bevölkerung ist gut. Er hat einen großen Anhang, obwohl er wenig mit der Bevölkerung in Verkehr kommt. Er besucht keine Wirtschaften und verhält sich sehr zurückgezogen.“

Vom „Oberhetzer Pfarrer Häfner“ spricht dagegen der Kreisleiter der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in Kitzingen am 9. Juni 1938 in einem Schreiben zur politischen Beurteilung des damaligen Oberschwarzacher Kaplans Josef Ullrich. Häfner habe dem Kaplan scheinbar den Deutschen Gruß verwehrt. Über das Bezirksamt Gerolzhofen gelangt die Meldung an die Gestapo Würzburg. Die „Jagd“ auf den katholischen Priester wird eröffnet.

Der Ausbau des Turmzimmers für den Kommunionunterricht

Im Dezember 1940 beginnen die Auseinandersetzungen um den Ausbau des Turmzimmers in der Pfarrkirche Oberschwarzach. Pfarrer Häfner will dort Kommunionunterricht erteilen. Der Gendarmerie-Posten Neuses am Sand meldet am 2. Dezember 1940 die Veränderungen im Turm der Pfarrkirche in allen Details an den Landrat in Gerolzhofen und begründet dies vordergründig mit dem Denkmalschutz, unter dem die Kirche stehe. Am 5. Dezember stellt der Landrat die Bauarbeiten einstweilen ein, da keine Genehmigung vorliege. Gleichzeitig bittet er das Landbauamt Würzburg um Stellungnahme. Der Oberbaurat des Landbauamtes Würzburg besichtigt am 13. Dezember die ausgeführten Bauarbeiten und teilt dem Landrat mit, dass die Sache baupolizeilich einwandfrei sei. Er empfiehlt, die vorübergehende Baueinstellung zu widerrufen, was der Landrat am selben Tag auch in die Wege leitet.

Das NS-Regime lässt die Geschichte nicht ruhen. Am 2. Februar 1941 meldet die NSDAP-Zelle Oberschwarzach an den Ortgruppenleiter in Bimbach: „Am Sonntag, den 26.1.1941 begann nun Pfarrer Häfner seine Christenlehre mit einer Schimpferei auf die Jugend von Oberschwarzach, diese Lümmel, wie er sie benannte, die doch deutsche Jugend sein wollen, weil sie angeblich einander in der Kirche mit Nadeln in den Hintern gestochen hätten. (…) Pfarrer Häfner sprach weiter: Da muss ich übrigens gleich noch etwas erwähnen, wie heute nacht wieder eine Schreierei auf dem Dorfe war, was sich diese Lümmel wieder geleistet haben, das ist eine Schande für das ganze Dorf. Wo sind denn da die, die die großen Herren spielen wollen? Da schlafen sie, das hören sie nicht. Wenn ich im Turm ein Zimmer einrichte, weil ich in der Schule keinen Religionsunterricht mehr halten darf, da ist man gleich da mit dem Anzeigen, da werden gleich zwei seitenlange Berichte gemacht. Oh diese dummen Menschen, diese hirnverbrannten. (…) Ich bitte um weiteren Bescheid, was in der Sache zu tun ist.“

Daraufhin ersucht der Ortsgruppenleiter von Bimbach mit Schreiben vom 4. Februar 1941 den NSDAP-Kreisleiter in Kitzingen „dringend, zu veranlassen, daß diesem (Pfarrer Häfner) die Ausübung des Religionsunterrichts entzogen wird. Diese Äußerung von den dummen, hirnverbrannten Menschen, die sind auf uns gerichtet, ebenso mit den großen Herren. Das ist ein Mißbrauch in der Ausübung des Religionsunterrichts in der Eigenschaft als Religionslehrer. Heil Hitler!“ Am 10. Februar 1941 schreibt der NSDAP-Kreisleiter an den Landrat von Gerolzhofen mit der Bitte, Pfarrer Häfner die Erlaubnis zur Erteilung des Religionsunterrichts zu entziehen, „da es unmöglich geduldet werden kann, dass sich ein Pfarrer, in dieser die Partei und den Staat schädigenden Art und Weise, vor Schülern ausdrückt. Ein Pfarrer, der den natsoz. Staat nicht rückhaltlos anerkennt und seine Schüler zu Treue und Achtung vor Partei und Staat erzieht, kann kein Erzieher im natsoz. Staat sein.“ Der NS-Apparat funktioniert bis ins letzte Rädchen: Der Zellenleiter informiert den Ortsgruppenleiter, der Ortsgruppenleiter sendet die Abschrift mit einem Begleitschreiben an den Kreisleiter. Dieser informiert dann den Landrat und fordert weitere Veranlassung.

Pfarrer Häfner: „Meine Angaben entsprechen der Wahrheit“

Am 25. Februar 1941 wird Pfarrer Häfner hierzu vom Hauptwachmeister des Gendarmerie-Postens Neuses am Sand vernommen. Häfner rückt einige Behauptungen zurecht. Er betont, dass er auf jeden Fall mit den gebrauchten Äußerungen weder die Gendarmerie, noch die Behörde, den Staat oder die Partei, sondern den unbekannten Anzeiger gemeint habe. „Ich habe keineswegs den Staat, Partei oder Behörde herabsetzen oder schädigen wollen. Das dürfte auch niemand behaupten können.“ Drei Tage später wird Häfner erneut zu Aussagen weiterer Zeugen gehört und bestätigt seine gemachten Angaben vom 25. Februar: „Sie entsprechen der Wahrheit.“ Am selben Tag legt der Neuseser Hauptwachmeister in einem Schreiben an den Landrat in Gerolzhofen gegen Häfner Anzeige vor „wegen Äußerungen in einer der Partei und Staat schädigenden Weise“. Er schildert nochmals die Vorfälle rund um den Ausbau des Turmzimmers und die Christenlehre vom 26. Januar, zitiert Aussagen Häfners von der Vernehmung und lässt dann den NSDAP-Zellenleiter aus Oberschwarzach zu Wort kommen. Dieser behauptet: „Wenn auch Pfarrer Häfner nicht wortwörtlich so gesprochen hat, wie ich geschrieben habe, dann hat er doch dem Sinne nach so gesprochen.“

Der Landrat gibt mit Datum vom 7. April 1941 den Antrag der Kreisleitung Kitzingen-Gerolzhofen, Häfner die Erteilung von Religionsunterricht zu entziehen, an den Regierungspräsidenten in Würzburg weiter. Gleichzeitig fügt er hinzu: „Da dem Häfner bei seinen Äußerungen eine böswillige Absicht nicht nachgewiesen werden kann und die Angelegenheit überdies von hier aus als belanglos betrachtet wird, dürfte von Weiterungen abgesehen werden können.“ Am 22. April teilt der Regierungspräsident der Gestapo in Würzburg mit, dass er nach Lage der Sache beabsichtige, von weiteren schulaufsichtlichen Schritten, namentlich von einem Widerruf abzusehen. „Höchstens eine Verwarnung dürfte in Betracht kommen.“

Am 23. Mai 1941 wird Häfner dann aber durch das Bezirksschulamt Gerolzhofen vorgeladen. Der Termin findet am 11. Juni statt. Es geht um den Entzug der Erlaubnis zur Erteilung des Religionsunterrichts. Häfner und der Oberschwarzacher NSDAP-Zellenleiter werden erneut zur Christenlehre vom 26. Januar vernommen. Beide bleiben laut Niederschrift des Schulamts bei ihren Aussagen und erklären, sie seien bereit, diese nötigenfalls zu beeidigen. „Eine Aufklärung der Unstimmigkeiten war daher nicht möglich.“ Im Schreiben des Bezirksschulamts an den Regierungspräsidenten heißt es am 13. Juni: „Zu einer förmlichen Verwarnung halte ich den Sachverhalt nicht für ausreichend. Die Äusserungen des Pfarrers dürften glaubwürdig sein.“

Neue Vorwürfe durch Schulleiter und Widerruf der Zulassung zum Unterricht

Wenige Tage später tritt eine neue Person in Erscheinung: der Leiter der Volksschule Oberschwarzach. Am 21. Juni 1941 schreibt er folgende neue Vorwürfe an die Gendarmerie-Station Neuses am Sand: „1. Pfarrer Häfner beginnt seinen Unterricht nicht mehr durch Erweisung des Deutschen Grußes, auch nicht durch Erhebung der Hand. 2. Am Mittwoch, 28. Mai 1941 hat er den Unterrichtssaal verlassen, obwohl noch ein Schüler in tiefem Schlafe lag. 3. Nach Schluß des Unterrichtes wird der Deutsche Gruß auch nicht mehr erwiesen.“ In Folge werden Oberschwarzachs Bürgermeister sowie am 22. Juli drei Oberschwarzacher Schulkinder zusammen mit Pfarrer Häfner vom Bezirksschulamt Gerolzhofen vernommen. Häfner erklärt, dass er bei Beginn des Unterrichts die rechte Hand hebe und die Kinder sofort „Gelobt sei Jesus Christus, in Ewigkeit. Amen“ sagten. Er habe seine frühere Grußart mit „Heil Hitler“ nicht auf Grund einer inneren Einstellung aufgegeben, sondern weil die Kinder den Gruß nur unzulässig erwiderten. Wenn ihn jemand auf sein Versehen schon früher aufmerksam gemacht hätte, dann hätte er sich entsprechend eingerichtet. „Ich bitte davon Abstand zu nehmen, die Zulassung zur Erteilung von Religionsunterricht zu widerrufen“, endet Häfners Stellungnahme.

Doch die Sicht des Bezirksschulamts kippt nach dieser Vernehmung: „In Gesamtwürdigung des Verhaltens des Häfner kann gesagt werden, dass ein Religionslehrer, der es nicht über sich bringt, sich ordnungsgemäss vor die Kinder hinzustellen und mit dem vorgeschriebenen Grusse: Heil Hitler zu grüssen, in einer deutschen Schule nicht mehr tragbar ist. Es wird gebeten die Zulassung zur Erteilung von Religionsunterricht für Häfner zu widerrufen“, steht im Schreiben des Bezirksschulamts Gerolzhofen vom 23. Juli 1941 an den Regierungspräsidenten. Dessen Entscheid erfolgt mit Brief vom 13. August 1941: „Die Zulassung des Pfarrers Georg Häfner in Oberschwarzach zur Erteilung des lehrplanmäßigen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen wird mit sofortiger Wirkung widerrufen.“

Der Tod des Oberforstwarts Wünsch

Wenige Tage später steht der nächste, noch größere Konflikt an: die Auseinandersetzung um die staatliche Ehe und den Tod des Oberforstwarts Wünsch in Oberschwarzach. Den Stein ins Rollen bringt der Ortsgruppenleiter der NSDAP-Ortsgruppe Bimbach. Sein Hass auf Häfner scheint groß zu sein. „Ich bitte Sie, nun hier einmal zuzupacken, wir bzw. ich habe nun lange genug bei diesen Burschen zugeschaut“, schreibt er in seinem Bericht über Häfner an den NSDAP-Kreisleiter in Kitzingen angesichts der Vorkommnisse beim Tod des Oberforstwarts Wünsch. „Es ist schon allerhand was sich hier wieder die Pfaffen für Stückchen leisteten, echt jesuitisch.“ Näher schildert er sein erstes Gespräch mit Frau Wünsch zum Tod ihres Mannes. Diese hatte den geschiedenen Wünsch standesamtlich geheiratet. Am Sterbebett habe der exkommunizierte Wünsch dann die Ungültigkeit dieser Ehe durch Unterschrift bestätigt. Das habe Häfner bei der Aussegnung des Verstorbenen bekannt gegeben. „So ein Verhalten, wie sich dieser Pfaffe leistet und dessen Kaplan, das erfordert auch eine Bestrafung, denn das ist nicht gesetzlich zuläßig, weil es in der Öffentlichkeit geschah, das ist Kanzelmißbrauch.“ Als Strafmaßnahmen gegenüber Häfner schlägt der Bimbacher Ortsgruppenleiter unter anderem die Abtretung des Wohnbereichs Häfners im Schloss Oberschwarzach vor sowie die Abgabe von Garten und Weinstock. „All diese Vorteile müssen den Pfarrer genommen werden, hier muß der Staat mit guten Beispiel voran.“

Der Bericht nimmt seinen Lauf, geht an den Landrat, in Abdruck an die Gestapo Würzburg. Diese fordert den Landrat auf, das Verhalten des Pfarrers Häfner und seines Kaplans, soweit es das Ableben des Wünsch und die daran geknüpften Anspielungen betrifft, durch Einvernahme von Zeugen überprüfen zu lassen. Weiter soll zu den Eigentumsverhältnissen des Schlosses Stellung genommen werden.

Am 12. September 1941 gibt die Witwe Dora Wünsch vor dem Gendarmerie-Posten Neuses am Sand zu Protokoll, dass ihr Mann von seiner ersten Frau geschieden sei und sie sich am 23. März 1941 standesamtlich nottrauen hätten lassen. Nach Aussage von Pfarrer Häfner sei sie seither von der Kirche ausgeschlossen. Kurz vor dem Tod ihres Mannes habe Kaplan Haun den Schwerkranken besucht und ihm nach einem Gespräch mit den Sterbesakramenten versehen. Am Todestag Wünsch‘, am 1. Juli 1941, gab Häfner dann nach Angaben von Frau Wünsch nach dem Gottesdienst bekannt, „es läutet die Scheidung des Verstorbenen, Herrn Michael Wünsch. Die Ehe, die er geschlossen, hat er für nichtig erklärt.“ Bei der Aussegnung des Toten habe Häfner erneut bekannt gemacht, dass Wünsch die Ehe, die er geschlossen habe, für nichtig erklärt und sich mit der Kirche versöhnt habe. Er könne daher kirchlich beerdigt werden. Abschließend bemerkt das Protokoll der Gendarmerie, dass durch die Angelegenheit Wünsch keine öffentliche Unruhe in Oberschwarzach eingetreten sei. „Fast 90 % der Bevölkerung stehen auf Seite des Pfarrers und machen gegen diesen keine Angaben, oder wenigstens nur solche wo nichts mit anzufangen ist.“

Ganz anders berichtet der SS-Untersturmführer der Hauptaußenstelle Würzburg des Sicherheitsdienstes RF SS am 23. September 1941 an die Gestapo in Würzburg. Er beruft sich auf einen Bericht der Außenstelle Kitzingen. Demnach sei die Aufregung unter der Bevölkerung über den Fall Wünsch groß. Durch die Nichtigkeitserklärung der Ehe in aller Öffentlichkeit sei die Bevölkerung gegen die Frau des verstorbenen Parteigenossen aufgehetzt worden. „Der Pfarrer hat damit eine Ehe, die von einer staatlichen Behörde geschlossen wurde, für nichtig erklärt. Es wird nicht verstanden, dass es noch heute möglich ist, dass katholische Geistliche öffentlich und auf der Kanzel gegen Gesetze des Staates sich auflehnen. (…) Es wird gebeten, in der Angelegenheit weitere Schritte zu unternehmen und die Bestrafung, zum Mindesten die Verwarnung des Geistlichen zu erwirken.“

In einem Schnellbrief aus dem Reichssicherheitshauptamt vom, 3. Oktober 1941 schlägt die oberste Staatsmacht nach diesem Vorkommnis zu. Der Reichsführer-SS verhängt den Befehl, Häfner längere Zeit in Schutzhaft zu nehmen und ihn in ein KZ-Lager zu überführen. „Ich ersuche daher, Häfner sofort in Haft zu nehmen.“

Verhaftung wegen „staatsabträglichen Verhaltens“

Als politischer Gefangener wird Häfner am 31. Oktober 1941 in Würzburg wegen „staatsabträglichen Verhaltens“ festgenommen. Bei der Vorladung vor der Gestapo-Dienststelle wird er zur beabsichtigten Schutzhaft vernommen und nimmt nochmals zu allen Vorwürfen Stellung: zur Christenlehre am 26. Januar 1941, zum Widerruf der Befugnis zur Erteilung des lehrplanmässigen Religionsunterrichts an öffentlichen Volksschulen, zur Aussöhnung des Oberforstwarts Wünsch mit der Kirche kurz vor dessen Tod und der öffentlichen Bekanntgabe der Nichtigerklärung der Ehe des Wünsch. Häfner schließt mit den Worten: „Wenn ich nun wegen meines Verhaltens in Haft genommen und eventuell in ein Konzentrationslager eingewiesen werde, so muss ich erklären, dass ich nichts Unrechtes getan habe. Die für mich in Aussicht genommene Maßnahme finde ich als zu hart.“ Danach wird er in die Haftanstalt Würzburg eingeliefert. Wenige Tage später, am 6. November 1941, wiederholt Häfner seine Bitte um Straffreiheit und alsbaldige Aufhebung der Haft. In Oberschwarzach geht derweil das Gerücht, Pfarrer Häfner sei von der Geheimen Staatspolizei verhaftet worden. „Ich ersuche um umgehende Mitteilung, in wieweit dieses Gerücht der Wahrheit entspricht und warum Pfarrer Häfner verhaftet wurde“, fragt der Landrat von Gerolzhofen am 8. November die Gestapo in Würzburg. Eine kurze Antwort erhält er mit Schreiben vom 19. November.

Das Bischöfliche Ordinariat Würzburg übersendet am 13. November ein Gesuch an die Gestapo, in dem um sofortige Freilassung Häfners gebeten wird. Am 24. November bittet Domkapitular Heinrich Leier, Pfarrer Häfner, sobald es möglich ist, im Landgerichtsgefängnis besuchen zu dürfen. Die Gestapo genehmigt den Besuch für den 1. Dezember. Leier bespricht mit Häfner bei dem Treffen Fragen zur Pfarrei Oberschwarzach. „Ausserdem erzählte er Pfarrer Häfner, anscheinend um ihn für eine ungünstig treffende Entscheidung vorzubereiten, dass die in Dachau befindlichen aus der Diözese Würzburg stammenden Geistlichen alle Gutes von dort berichten“, heißt es in der Aktennotiz der Gestapo.

Reichsführer-SS Heydrich: „H. ist in das Konzentrationslager Dachau zu überführen“

Währenddessen ist die letzte Entscheidung im Reichssicherheitshauptamt Berlin gefallen. Ein von Heydrich gezeichnetes Schreiben vom 29. November 1941 an die Staatspolizeistelle Nürnberg ordnet bis auf weiteres Schutzhaft an. Der Schutzhaftbefehl sei wie folgt auszustellen: „ …indem er dadurch, dass er sein Priesteramt dazu mißbraucht, sich während des Religionsunterrichts im staatsfeindlichen Sinne zu äußern und das Privatleben der Volkgenossen unberechtigterweise zu beeinflussen, den Zusammenhalt der inneren Front zu untergraben sucht und so erhebliche Unruhe in die Bevölkerung trägt.“ Weiter heißt es: „H. ist in das Konzentrationslager Dachau zu überführen.“ Von Nürnberg geht der Befehl an die Gestapo in Würzburg und von dort am 8. Dezember an den Polizeipräsidenten: „Ich bitte, den Häfner mit dem nächsten von Würzburg abgehenden Sammeltransport in das Konzentrationslager Dachau zu überstellen und mir den Zeitpunkt der Überstellung umgehend mitzuteilen.“ Am 11. Dezember 1941 wird Häfner mit Sammeltransport „nach Dachau verschubt“.

Nach und nach sickert in Oberschwarzach die Überführung ihres Pfarrers ins KZ durch. Nach Bericht der Gendarmerie in Oberschwarzach vom 27. Dezember sind die „Pfarranhänger“ der Meinung, dass der Oberschwarzacher Hauptlehrer daran mitschuldig sei. Dieser habe einen Drohbrief erhalten, außerdem seien in der Wohnung des Hauptlehrers in der Nacht vom 24. auf 25. Dezember zwei Fensterscheiben und beim Haus des ersten Beigeordneten von Oberschwarzach ein Schaufenster eingeschlagen worden. Die Vorfälle werden an den Landrat und an die Gestapo weitergeleitet. „Es sei dies wahrscheinlich ein Racheakt und zurückzuführen auf die Festnahme des dortigen Pfarrers.“ Am 2. Januar 1942 schreibt der Landrat an die Gestapo in Würzburg: „Die Verhaftung des Pfarrers Häfner von Oberschwarzach hat dort und in den umliegenden Gemeinden große Beunruhigung hervorgerufen. Mehrere Abordnungen haben hier bereits um Freilassung des Pfarrers und Angabe der Gründe für seine Verhaftung gebeten. (…) Da mit weiteren Ausschreitungen gerechnet werden muß, wäre es vielleicht zweckmäßig, den Pfarrer nunmehr auf freien Fuß zu setzen.“ Die Stimmung der Bevölkerung sei so gut wie ausschließlich für den Pfarrer und gegen die Verhaftung.

Gesuche der Eltern und des Kirchenpflegers um Haftentlassung

In den folgenden Monaten setzen sich weitere Menschen für die Freilassung Häfners ein. Das beim Reichssicherheitshauptamt in Berlin eingereichte Gesuch der Eltern Häfners um Entlassung ihres Sohns aus der Schutzhaft wird mit Schreiben vom 21. Mai 1942 negativ beschieden. Ebenso ergeht es der Bitte des Oberschwarzacher Kirchenpflegers an den Landrat. Der Kirchenpfleger schreibt am 19. Juni 1942, er stelle auf das fortdauernde Drängen der Gläubigen in der hiesigen Pfarrei Oberschwarzach die Bitte an den Landrat, sich dafür zu verwenden, dass Pfarrer Häfner baldigst in sein Amt zurückkehren könne. „In der heutigen schweren Zeit ist ein vermehrtes religiöses Bedürfnis vorhanden, dessen Unterbindung nicht im Interesse unseres Staates liegen kann. (…) Ich bitte deshalb den Herrn Landrat im Namen vieler Katholiken, die in diesem schwersten Kampfe unseres Volkes, jederzeit in treuer Pflichterfüllung, in der Größe der Opfer mit an erster Stelle stehen, um wohlwollende Prüfung meiner Bitte und um Befürwortung bei den maßgebenden Stellen.“ Interne Reaktion der Gestapo auf die Bitte: Das Gesuch des Kirchenpflegers sei zur Vorlage nicht geeignet, da seinerzeit vom Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin Schutzhaft für längere Zeit und die Überführung in ein Konzentrationslager angeordnet worden sei.

Tod und Beisetzung der Urne

Georg Häfner stirbt am 20. August 1942 um 7.20 Uhr im Konzentrationslager Dachau, nach Gestapo-Angaben an den Folgen von Phlegmone am rechten Fuß. Häfners Eltern, die sich zu dem Zeitpunkt in Oberschwarzach befinden, werden dort von der Gendarmerie über den Tod ihres Sohnes informiert. Weiter werden sie gefragt, ob eine Besichtigung der Leiche gewünscht werde. Am Nachmittag des 21. August lässt Häfners Vater mitteilen, dass er die Leiche seines Sohnes nochmals sehen wolle. Er werde aus diesem Grund am 22. August nach Dachau fahren. Domkapitular Leier werde ihn begleiten.

In Oberschwarzach herrscht nach Angaben der Gendarmerie vom 7. September 1942 eine große Erregung nach Bekanntwerden des Todes. „Es wurde gesagt: Jetzt haben die 3 oder 4 Personen, die den Pfarrer unschuldigerweise ins Konzentrationslager brachten, ihren Zweck erreicht (ursprünglich: ereigt). Das Gericht habe dem Pfarrer nichts Strafbares nachweisen können und der Pfarrer habe auch keine Strafe absitzen müssen. Die Partei habe die Sache aber übernommen und habe den Pfarrer, zwecks einer politischen Schulung, ins Konzentrationslager verbracht.“

Die Urne mit der Asche Häfners wird schließlich am 18. September 1942 um 14.40 Uhr auf dem Hauptfriedhof in Würzburg beigesetzt. Zum letzten Mal verfasst die Gestapo am 19. September 1942 einen Überwachungsbericht bezüglich Pfarrer Häfner. „Die Beerdigung hob sich nicht über den Rahmen einer sonstigen gewöhnlichen Beisetzung hinaus, lediglich war eine starke Beteiligung des Klerus und auch der Zivilbevölkerung aus Stadt und Land festzustellen. Vor der Leichenhalle war die Urne auf einer Tragbahre aufgestellt und ein Geistlicher nahm die übliche Zeremonie der Aussegnung in lateinischer Sprache vor. (…) Der Trauerzug zum Grabe setzte sich in folgender Reihenfolge zusammen: Voraus marschierte eine Gruppe junger Burschen in Stärke von 20-30 Mann. Diesen folgte eine Männerabteilung in Stärke von 40-50 Mann. Um welche Vereinigungen es sich hier handelte, konnte nicht festgestellt werden. Anschließend folgte der Klerus in Zivil in Stärke von 120-130 Mann. Höhere kirchliche Würdenträger, ausgenommen der ehemalige Abt von Münsterschwarzach, waren nicht vertreten. Ordensgeistliche und kath. Schwestern waren nur schwach vertreten. Hinter der Geistlichkeit folgten die Träger mit der Urne und die nächsten Angehörigen. Diesen schloss sich ein langer Zug Männer und Frauen an; schätzungsweise dürften es 700-800 Personen gewesen sein. Am Grabe wurde nur ein kurzes Gebet und die Einsegnungsworte gesprochen. (…) Um 15 Uhr war die Beisetzung beendet und die Teilnehmer verliefen sich ohne irgend welche Zwischenfälle.“