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„Weinend saß Georg Häfner am Tisch“

Prälat Hermann Scheipers erzählt von seinen Erlebnissen im Konzentrationslager Dachau – Zusammen mit Häfner in derselben Stube – Schüler des Egbert-Gymnasiums beeindruckt vom tiefen Glauben des Zeitzeugen

Würzburg/Münsterschwarzach (POW) Wer Prälat Hermann Scheipers zuhört, muss genau hinhören. Er redet leise, aber überzeugt von seiner schwersten Zeit im Leben. Für ihn ist es ein Wunder, überlebt zu haben. Der 97-Jährige war von 1941 bis 1945 im Konzentrationslager Dachau gefangen und lebte in derselben Stube wie Pfarrer Georg Häfner, der am 15. Mai im Würzburger Kiliansdom seliggesprochen wird. Am Mittwoch, 12. Januar, war Scheipers zu Besuch im Egbert-Gymnasium in Münsterschwarzach. Vor den Schülern, die derzeit die Aufführung eines Oratoriums zu Häfners Leben vorbereiten, berichtete er von seinen schrecklichen Erlebnissen.

Block 26, Stube drei – das war Scheipers und Häfners Unterkunft in Dachau. Mit ihnen waren noch rund 70 andere Häftlinge in der Stube untergebracht. „Häfner hätte überleben können, wenn der Stubenälteste mutiger gewesen wäre“, ist sich Scheipers sicher. Denn Häfner wurde in seiner Gefangenschaft schwer krank. Er meldete sich aber nicht, aus Angst in den Invalidenblock zu kommen. Nur der Stubenälteste, ein überzeugter Kommunist, hätte versuchen können, bei den Wärtern Hilfe zu bekommen. Er tat es nicht, wahrscheinlich aus Furcht, vermutet Scheipers. „Ich kann mich noch erinnern, wie Pfarrer Häfner weinend vor Schmerz am Tisch saß. In einer Nacht muss er dann im Bett gestorben sein.“ Die genauen Umstände kennt Scheipers nicht, zu viele Leute seien in der Stube gewesen. Über seine Seligsprechung ist er „sehr erfreut“, schließlich sei Häfners Leben eine Art Abbild seines eigenen.

Scheipers Glaube wächst in der Gefangenschaft und hat unter den Erfahrungen des Bösen in Dachau nicht gelitten. Im Gegenteil: „Dort passierte viel Schlimmes, aber nichts ohne Gott“, sagt er rückblickend. Die Schüler sind beeindruckt von den Worten: „Wie kann ein Mensch einen solchen Glauben haben?“, fragen sich anschließend viele. Scheipers berichtet, wie Häfner und er von mitgefangenen Block- und Stubenältesten geschlagen wurden. „Die mussten das machen, sonst wären sie direkt umgebracht worden.“ Eine Gaskammer gab es in Dachau nicht, aber wöchentlich wurden Häftlinge mit Lkw abgeholt und zu einer Gaskammer in Österreich gebracht.

Wie alle anderen Priester musste Scheipers auf einer Plantage innerhalb des KZ arbeiten. Mittagessen gab es dort nicht, die Arbeit sei den Wärtern zu leicht erschienen. Mehrmals ist Scheipers dem Tod nur knapp entkommen: Einmal brach er nach dem Morgenappell zusammen und kam in den Invalidenblock, eigentlich die letzte Station vor dem Abtransport. Doch Scheipers gelangte wieder zurück – nicht zuletzt durch erheblichen Protest seiner Zwillingsschwester Anna beim Reichssicherheitshauptamt. Sie wusste durch eine verschlüsselte Botschaft in einem Brief um die lebensbedrohliche Lage ihres Bruders. Ihre Drohung, die Katholiken im Münsterland würden den Tod ihres Bruders nicht einfach hinnehmen, führte dazu, dass alle Priester den Invalidenblock verlassen durften und zurück in ihre Stube kamen. Auch für sogenannte „medizinische Experimente“ war Scheipers eingetragen. In Uniform eines Soldaten der Luftwaffe hätte er in Eiswasser geworfen werden sollen, um festzustellen, wie lange es dauert, bis ein Mensch an Unterkühlung stirbt. Im letzten Moment habe ihn ein Wärter fortgeschickt, da Priester für diese Experimente nicht vorgesehen waren. Erst später hat Scheipers erfahren, was mit ihm hätte passieren sollen.

Völlige Stille herrscht während Scheipers Erzählungen in der Schulaula des Egbert-Gymnasiums. „Seine Aussagen sind beklemmend“, findet Hanna Langmann. Die Achtklässlerin bewundert, dass Scheipers trotz der Qualen immer an Gott geglaubt habe. Jonathan Jurkat aus der zwölften Klasse beeindruckt, dass Scheipers über diese schlimmen Erlebnisse reden kann und sie nicht für immer verschweigen will.

Zwei Tage vor der Befreiung des KZ Dachau durch die Alliierten wurden die meisten Gefangenen evakuiert. Scheipers gelang auf dem Marsch Richtung Ötztaler Alpen die Flucht. Alle Gefangenen, die innerhalb des Lagers arbeiteten, mussten seit 1944, als die gestreiften Häftlingsanzüge kriegsbedingt knapp wurden, zivile Anzüge mit einem X auf dem Rücken tragen. Scheipers besorgte sich selbst gegen Lebensmittel in der Kleiderkammer einen Zivilanzug und nähte heimlich selbst ein X drauf, so dass er es nach seiner Flucht leicht abreißen konnte, um unerkannt zu einem Priester in Starnberg zu gelangen. Dort hielt er sich bis zum Eintreffen der Amerikaner versteckt.

Zur Person:

Hermann Scheipers wurde am 24. Juli 1913 in Ochtrup/Westfalen geboren. Nach seinem Abitur studierte er in Münster und wurde am 1. August 1937 in Bautzen zum Priester geweiht. 1940 wurde er verhaftet und war fast ein halbes Jahr im Polizeigefängnis Leipzig eingesperrt. Von dort kam er ins Konzentrationslager Dachau. Am 13. August 1942 rettete ihn seine Zwillingsschwester Anna vor der Vergasung. Im April 1945 gelang ihm auf dem Todesmarsch die Flucht und die Rückkehr nach Westfalen. Von 1946 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand im Jahr 1983 wirkte er im Bistum Dresden-Meißen in der damaligen DDR. 2002 wurde Scheipers das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik verliehen, 2003 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum päpstlichen Ehrenprälaten. Heute lebt er in seinem Geburtsort Ochtrup.